Weg von struktureller Unterdrückung und Täterschutz

07.11.2024

Vor drei Jahren wurde ein Fall sexualisierter Gewalt am Bündner Verwaltungsgericht bekannt, nun steht der ehemalige Richter vor Gericht. Die JUSO Graubünden solidarisiert sich während einer Kundgebung mit der betroffenen Person und kritisiert gleichzeitig den immer noch sehr präsenten Täterschutz. Mit der Aktion macht sie auf den strukturellen Aspekt des Problems aufmerksam. Basierend darauf fordert sie einen Aktionsplan gegen sexualisierte Gewalt im Kanton Graubünden.

Vor drei Jahren kam es zu einem Vorfall sexualisierter Gewalt innerhalb der Strukturen des Bündner Verwaltungsgerichts. Während des Prozesses in der vergangenen Woche kam es während der Befragung der Betroffenen zu Aussagen von Seiten des zuständigen Richters, welche die Grenzen des Opfers klar überschreiten und ihre Aussagen infrage stellen. Das ist inakzeptabel. Die JUSO Graubünden fordert deshalb die sofortige Entlassung des Richters, welcher diese Aussagen getätigt hat. “In einer so vulnerablen und entscheidenden Situation wie einem Gerichtsprozess haben solche unprofessionellen und respektlosen Aussagen keinen Platz", so Malina Liebsch, Co-Präsidentin der JUSO Graubünden. Dass gerade an einem Gerichtsprozess wegen einer Vergewaltigung solche Fragen gestellt werden, ist nicht bloss ein schlimmer Zufall, sondern es ist Konsequenz einer patriarchalen Gesellschaft und System. Sexualisierte Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Dies beginnt im Alltag mit abwertenden Sprüchen und Bemerkungen gegenüber Frauen und insbesondere auch trans* Menschen und spitzt sich in physischer bzw. sexualisierter Gewalt und Unterdrückung gegenüber denselben zu. “Es ist wichtig, sich der kleinen Anfänge bewusst zu werden und auch diesen schon aktiv entgegenzuwirken”, so Malina Liebsch weiter. Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, in der Täter in Schutz genommen und Opfer beschuldigt werden. Im Alltag, aber eben auch in der Justiz.

Seit Juni dieses Jahres gilt das neue Sexualstrafrecht. Das ist bereits ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, reicht aber bei weitem nicht aus. Der Prozess wäre unter dem neuen Strafgesetz nicht wirklich anders abgelaufen, zwar wäre die Situation inhaltlich nicht dieselbe, die Vorurteile und Meinungen aber schon, ist auch das Ausmass an Gewalt in der Gesellschaft noch immer gleich.

Aus genau diesem Grund, um dieser strukturellen Unterdrückung und Gewalt entgegenzuwirken und in der breiten Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu verstärken, fordert die JUSO Graubünden einen Aktionsplan gegen sexualisierte Gewalt:

  • Der Kanton muss ausreichend Schutzplätze für Gewaltbetroffene schaffen und die Beratung und Opferhilfe ausbauen. Ebenfalls muss der Kanton dafür sorgen, dass diese Angebote flächendeckend bekannt gemacht werden.
  • Es braucht eine breit angelegte Präventionskampagne. So muss bereits in den Schulen auf das Problem und den Umgang damit aufmerksam gemacht werden. Es muss der aktive Konsens in den Vordergrund gerückt werden, denn nur Ja heisst Ja!
  • Das Recht auf sexuelle Integrität muss festgeschrieben und gewahrt werden.

Dies sind lediglich einige Massnahmen, die der Entwicklung entgegenwirken sollen. Um langfristige und nachhaltige Veränderungen herbeizuführen, muss die Überwindung des Patriarchats angestrebt werden.